Null. Punkt. Eins

Ich saß mit Liegegips auf der Küchenbank. Weil ich zwei Kinder hatte, die erst dreijährige Susi war gerade in den Kindergarten gekommen, bekam ich eine Haushaltshilfe zugewiesen, die 19-jährige Elaine. „Haben Sie an das Mittagessen gedacht?“, fragte ich. „Der Dany kommt gleich von der Schule nach Hause.“ „Das ist kein Problem“, antwortete sie. „Da mach ich einfach Pfannkuchen, das geht ganz schnell – hab´ ich gehört.“ Ich musste lachen. „Das heißt, Sie selbst haben noch nie einen Pfannkuchen gemacht?“ „Nein,“ murmelte sie. „Also okay“, meinte ich. „Dann machen wir heute lieber überbackene Tomatenbrote.“

Pfannkuchen sind einfach und schnell in der Zubereitung, SOFERN man schon einmal welche gemacht hat. Es ist nur äußerst unwahrscheinlich, dass sie einem gleich beim ersten Mal gelingen; entweder ist der Teig zu flüssig oder zu dick, es ist zu viel Milch oder zu wenig drin, zu viel Zucker oder gar keiner (was ich bevorzuge, ich zuckere den Pfannkuchen, wenn er fertig ist), manche nehmen den Geheimtipp, etwas Mineralwasser hinzuzufügen, damit der Teig lockerer wird, derart wörtlich, dass sie gleich einen halben Liter zusetzen, mit dem Ergebnis, dass der Pfannkuchen nicht fest wird und buchstäblich nach gar nichts schmeckt. Es dauert ein bisschen, bis mancher herausgefunden hat, dass ein Pfannkuchen keine Bratwurst ist, ihn man also auch nicht bei Höchsttemperatur kohleschwarz grillen muss. Dasselbe gilt für die Zeit, in der man den Teig quellen lassen soll. Dafür muss man ein paar Minuten einrechnen; es hat aber keinen Sinn, den Teig stundenlang stehen zu lassen, bis er zäh wie Kleister ist, es sei denn, man will eine schwer zu verarbeitende und schwer verdauliche Schuhsohle herstellen.

Wir lernen, solange wir leben. Und der allererste Versuch, das, was im Geschäftsleben die 0.1 Lösung genannt wird, ist häufig von Rückschlägen gekennzeichnet. Darum war der Jubel so groß, als der Randolf vor vielen Jahren das erste System der automatischen Röntgenprüfung an einen mutigen Alu-Druckguss Firmenchef verkauft hat. „Weißt du, was das bedeutet?“, fragte mich mein Bruder. „Jetzt kann er Referenzen vorweisen, wenn er sein System vorstellt, er kann sagen: Rufen Sie doch Herrn Ziller (Name geändert) in Berlin an, er hat es und ist sehr damit zufrieden. Damit ist der Randolf über die 0.1-Situation hinaus und das ist das schwerste.“

Tatsächlich machen wir alle das Leben zum ersten Mal. Dadurch neigen wir vielleicht dazu, zu sehr von unseren eigenen Erfahrungen auszugehen und sie für allgemein gültig zu halten. Einige glücklich liierte Menschen denken, dass die, die Pech in der Liebe haben, zänkisch veranlagt sein müssten oder sonst etwas gravierend falsch gemacht hätten. Und die, die bisher noch nicht den Traumpartner gefunden haben, denken vielleicht, dass die anderen mehr Glück als Verstand hätten – ohne zu berücksichtigen, dass auch in den allerbesten Beziehungen immer anhaltende Bemühung um einander nötig ist und das Glück nicht einfach vom Himmel fällt. Wir sollten einander in unseren Bemühungen würdigen. Wenn man weiß, wie es geht, ist vieles leicht, aber dahin zu kommen, war oft gar nicht so einfach.

Das Leben, in dem das einzig Konstante die Veränderung ist, verlangt von uns immer wieder neu anzufangen. Darum sollten wir uns bei jedem neuen Versuch mit Geduld wappnen, uns selbst und anderen gegenüber. Denn damit bereiten wir das Gelingen des kommenden Erfolgs vor.

„Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie dem Vogel, die Hand hinhalten.“

Übrigens: Was den Pfannkuchen und das Leben angeht: Eine Prise Salz gehört dazu.

 

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Null. Punkt. Eins - Glosse von Ruth Hanke
Glossen von Ruth HankeNull. Punkt. Eins

  • Lieber Herr Petersen!

    Vielen Dank für Ihr Feedback! Natürlich sind Pfannkuchen Geschmacksache, aber gerade Pfannkuchen bieten eine erstaunliche Vielfalt in der Zubereitungsmöglichkeit: Man kann sie ganz klassisch fruchtigsüß essen, mit Pfirsichen oder Marmelade oder Orangensauce, als Crepes Suzette oder mit eingebackenem Käse und Schinken, gefüllt mit Pfannengemüse oder Hackfleisch, meine Kinder mochten sie als „Umkehressen“, zuerst süß, dann salzig, bei den Schwemmklößen, (auch Grießnockerl genannt) wollten sie die Schwemmklöße erst ganz klassisch in der Suppe essen und als Nachtisch nochmal dieselben Klöße mit eingeweckten Pflaumen und Zimtzucker. Wenn man etwas Mut aufbringt, die gewohnten Bahnen zu verlassen, kann man unerwartete Gipfel erklimmen. Für manche ist das verlockend genug, andere bleiben lieber bei dem Gewohnten, das ja auch sein gutes Recht hat.
    Grüßen Sie Ihre Frau ganz herzlich von mir!

    Ihre Ruth Hanke

  • Wilhelm Petersen

    Toll, liebe Frau Hanke. Die Glosse habe ich mit Schmunzeln gelesen. So ist das Leben !
    Man übt immer wieder und weiter. Ich für meinen Teil sehe darin die Begründung für meine eingeschränkte Fähigkeit, mich mit technischen Dingen auseinander zu setzen.
    Was den Pfannkuchen angeht: Bei uns gibt es (leider) keine Pfannkuchen. Nun frage ich mich: liegt es tatsächlich daran, dass meine Frau sie nicht gerne isst („das ist kein Mittagessen“) oder vielleicht doch an der nach Ihrer Beschreibung nicht so leichten Zubereitung. Vielleicht sollte ich es mal üben…

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