Murphys Law

Murphys Law

Es war aber auch wie verhext! Ich hatte verschlafen! Das vermaledeite Hochwasser war schuld, denn wenn in Fürth am Wiesengrund Hochwasser war, war die Fuchsstraße gesperrt, so dass aus dieser Richtung kein einziges Auto an der Kaiserstraße 21, direkt an unserem Schlafzimmerfenster vorbei fuhr, wie sonst von den frühesten Morgenstunden an, Ergebnis:
Der Verkehrswecker versagte, der Organismus schaltete auf den Sonntags-Modus und wir verschliefen.

Zwanzig Minuten vor sieben, oh Hilfe, Hilfe! Um Punkt sieben Uhr spätestens musste ich gestiefelt und gespornt, top gestylt und im Besitz aller meiner geistigen und künstlerischen Kräfte in der Grafik oben die Stechkarte in die Stechuhr stecken, sonst wurde einem von dem gefürchteten Abteilungsleiter höchstpersönlich der Kopf abgerissen. Als übergewissenhafter Mensch war ich selbst noch nie zu spät gekommen und versuchte auch diesmal zu retten, was zu retten war. In wilder Hektik zog ich mich an, wobei sich in meiner letzten Strumpfhose eine Laufmasche zeigte. Nein, jetzt konnte ich mich nicht mehr umziehen, keine Zeit! Zack-zack erledigte ich Zähneputzen, Haare bürsten und eine Art Katzenwäsche, schnappte mir die Handtasche und rannte aus dem Haus. Natürlich fuhr mir die Straßenbahn vor der Nase weg, es war sieben Minuten vor sieben Uhr. In meiner Verzweiflung winkte ich einem Taxi, es hielt, ich ließ mich in den Sitz fallen und nannte die Adresse. Der schüchterne junge Fahrer sah mich an, als ob ich vom Mond käme. Es stellte sich heraus, dass er kaum Deutsch, nur sehr peripher Englisch konnte und sich offenbar überhaupt nicht auskannte. Autofahren konnte er, wenn auch nur sehr langsam. Obwohl ich ihn mit ausladenden Bewegungen dirigierte, verfuhren wir uns zweimal, standen verzweifelt lange an einer Abzweigungsampel, während uns die nächste Straßenbahn überholte.

Als wir endlich vor der Firma hielten, war es 18 skandalöse Minuten nach sieben Uhr. Ich kramte in der Handtasche, um schnell zu bezahlen und dann hochzustürmen – aber ich fand auch nach längerem Suchen den Geldbeutel nicht; einfach deshalb, weil ich vergessen hatte, ihn einzupacken. Nach gefühlten drei Ewigkeiten hatte ich den Taxifahrer davon überzeugt, dass ich ihn nicht betrügen wollte, hatte meine Adresse aufgeschrieben und rannte mit zitternden Knien die Treppe hinauf.

Es war eine Gemeinheit, wie sich alles gegen mich verschworen hatte, dachte ich während ich versuchte, mein Notstromaggregat an Humor am Laufen zu halten und dabei fiel mir Murphys Law ein, das ungefähr besagt, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird.

Das beruhigte mich ein bisschen. Gegen Naturgesetze ist man ja bekanntlich machtlos.

Oben angekommen starrte ich sprachlos auf meine Stechkarte, die auf „anwesend“ gesteckt war, abgestempelt um 6.59 Uhr und sah kurz darauf in das lächelnde Gesicht meiner Freundin Elvira.
„Ich hab ja gewusst, dass du kommen wirst“, meinte sie. „Und – wo ist der Boss?“ flüsterte ich.

„In der Zahnklinik, ein Zahn ist abgebrochen, muss behandelt werden.“

Mir fiel ein Zentnergewicht vom Herzen. An diesem Tag, an dem ich für meine Naturzeichnungen anerkannt wurde und für die Schrift auf einigen Urkunden funkelnde 12 Mark und eine Pistazienschokolade geschenkt bekam, war ich nur noch mit wundern beschäftigt.

Murphys Law ist aktiv, sicherlich, das sage ich mir seitdem selbst an solchen Tagen, aber:
Auch Wunder gibt es immer wieder.

 

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Murphys Law - Glosse von Ruth Hanke
Glossen von Ruth HankeMurphy Law

  • Och herm, wer kennt das nicht! Wenn man morgens mit dem Zeh gegen die Tischkante knallt, ist der Tag sowieso schon gelaufen und wie du schon sagtest: gegen Naturgesetze kann man nichts machen. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass man mit positiver Energie und einer gesund optimistischen Einstellung auch so einen Tag herumreißen kann.
    Manchmal geschehen Wunder, aber manchmal muss man sich auch selbst am Riemen reißen und durchziehen. 🙂

    Viele Grüße!

    • Lieber Ben!

      Ganz genau meine Ansicht!
      Außerdem glaube ich, dass man mit steigenden Herausforderungen auf diesem Gebiet immer besser wird.
      Meine Mutter drückt das so aus: „Wer sich nicht zu helfen weiß, ist nicht Wert, dass er in Verlegenheit gerät.“
      Danke für Deinen Kommentar!

      Ruth Hanke

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