Tipps für die missglückte Beziehung – Wer zu spät kommt…
Eine sehr effektive Taktik der missglückten Beziehung ist die Verzögerung. Diese Methode hat einen besonderen Charme, weil sie so natürlich wirkt. Ein Meister darin ist mein Kumpel aus der Arbeit, Jürgen, dick wie ein Fass und von geradezu sagenhafter Langsamkeit.
Eines Abends stand er mit seiner Freundin in unserem Lieblingsbiergarten vor der großen Tafel, auf der mit Kreide zwölf leckere Gerichte zur Auswahl standen. Augenscheinlich waren der Jürgen und seine Freundin schon eine ganze Weile da.
„Tja“, meinte er. „Wir überlegen gerade, ob wir die Champignons im Bier-Teig mit Remouladensoße und Salatteller nehmen oder äh vielleicht doch lieber was mit Fleisch, vielleicht Schnitzel, aber da sind dann keine Champignons dabei. Oder Matjesfilets mit Salzkartoffeln, die sind sehr gut hier, aber Matjes haben wir erst vorgestern, nein, vorvorgestern gegessen, es war am Dienstag, stimmt’s, kann aber auch am Mittwoch gewesen sein, aber ich glaube es war Dienstag, richtig: DIENSTAG!“
Inzwischen saßen alle anderen längst zufrieden unter bunten Glühbirnen, futterten ihr Essen und tranken ihr Bier, da stand der Jürgen noch immer vor der Tafel und zwar genauso lange, bis ein Typ mit Küchenschürze daherkam und die Tafel ins Haus trug. „He!“, rief der Jürgen aufgeschreckt. „Was soll das?“ Worauf ihm die lapidare Antwort zu Teil wurde: „Küche geschlossen!“
Zufall? Es gibt keinen Zufall. Oder sagen wir besser: Auch Zufälle müssen schlau eingefädelt werden. Lernen wir von dem Besten: Wie hat der Jürgen diesen Zufall eingefädelt? Also zuerst einmal ist er schon reichlich spät im Biergarten aufgetaucht. Immer ist ihm noch etwas eingefallen, was er schnell in letzter Minute erledigen musste: Einen Friseurtermin im nächsten Monat elektronisch um eine halbe Stunde verschieben, eine Glühbirne im Keller auswechseln, die schon seit einiger Zeit bedenklich flackert, noch schnell die Emails, die Bundesliga-Ergebnisse, und den neuen Ölpreis checken und mit dem Nachbarn, der sich eigentlich nur die Kartoffelpresse ausleihen wollte, ein Stündchen zu verplaudern.
„Ich werde ja wohl noch fragen dürfen, wie es ihm geht“, verteidigt er sich, um seinen Lieblingssatz anzufügen: „Wir sind hier bei der Arbeit und nicht auf der Flucht!“
Wobei auf jeden Fall der erste Teil des Satzes dick und dreist gelogen ist, denn der Jürgen ist so gut wie nie „bei der Arbeit.“
Der nächste Schachzug liegt in dem Wort „wir“, Frauen lieben dieses Wort, weil es, so meinen sie, traute Einigkeit symbolisiert. Wenn der Jürgen zum Beispiel gesagt hätte: „ICH überlege gerade, ob ich die Champignons im Bier-Teig nehme“, dann hätte seine Freundin vielleicht die Chuzpe besessen zu sagen: „Und ICH habe mich für das Schnitzel entschieden und bestelle es mir schon Mal. Für dich ein Bier?“ Aber so ist sie dermaßen von diesem: „wir“ geknebelt, dass sie wie ein Karnickel vor der Schlange vor der Tafel stehenbleibt, bis sie kein Essen, sondern dafür jede Menge unterdrückten Ärger hat.
„Naja“, schickt sich der Jürgen an dieser Stelle in sein scheinbar unvermeidbares Schicksal. „Da kann man eben nichts machen“, und um das Maß des Frustes vollzumachen, fügt er treuherzig an: „Wir machen uns daheim ein Brot. Die Leberwurst muss sowieso gegessen werden.“ –