April, April!

Seit ich ein Kind war, durfte man am 1. April jemanden „in den April schicken“, eine Erlaubnis, die viel genutzt wurde: Von Geschwistern, Klassenkameraden, Eltern und Lehrern, einmal sogar von unserem Herrn Pfarrer.
An keinem anderen Tag im Jahr muss man so höllisch aufpassen wie an diesem.
Manche April-Scherze werfen ein grelles Licht auf eigene und andere Schwächen, in manchen werden bestimmte Eigenheiten gnadenlos ausgenutzt.
Ist es wirklich so schlimm, wenn man auch selbst einmal auf einen Scherz hereinfällt und andererseits:
Wie weit darf man gehen, ohne sich in der Dosis seiner Scherzerei zu vergreifen?

Sogar die Zeitungen beteiligen sich an der allgemeinen Gaudi wie z. B. mit der Nachricht, dass der Münchner Oberbürgermeister um 10.00 Uhr vor dem Rathaus 17 neugeborene Dackel an Tierliebhaber abgeben würde – wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Tatsächlich hatten sich daraufhin mehrere hundert Dackelfreunde vor dem Rathaus versammelt, vorsichtshalber mit Leinen, Körbchen und auch Decken für die Tiere ausgerüstet, denn an diesem Tag war es noch empfindlich kühl. Leider bekamen sie keinen Dackel, sondern sie wurden nur für die Ausgabe am 2. April mit empörten Gesichtern fotografiert.

Ich war schon lange kein Kind mehr, als es mir einfiel, meinen Mann am 1. April in der Arbeit anzurufen: „Deine Mutter hat am Wochenende das Haus voller Leute und kann die Getränke nicht mehr alleine in den zweiten Stock hochtragen. Du sollst ihr einen Kasten Wasser und einen Kasten Bier vorbeibringen.“
Im Hintergrund hörte ich das Gemurmel einer Besprechung. Aber der Randolf, ein vorbildlicher Sohn, meinte knapp: „Ein Kasten Wasser, ein Kasten Bier! Mach ich!“
Ab da saß ich erwartungsvoll vor dem Telefon. Um 17:00 Uhr rief meine Schwiegermutter an:
„Der Randolf – ist der irgendwie überarbeitet?“
„Wieso?“
„Kommt hier hoch gewetzt und stellt mir nen Kasten Wasser und nen Kasten Bier rein. Denkt der, ich kann nich mehr alleene einkoofen?“
„April, April!“, rief ich zufrieden.
„Was?“
„April, April!“
„Ja, ich weiß schon, aber der Randolf…“
Erst viele Wochen später schaffte ich es, ihr meine Rolle in der Angelegenheit zu erklären. Am Abend fragte ich den Randolf:
„Was hat denn deine Mutter zu den Getränken gesagt?“
„ Die wird langsam vergesslich – das Alter!“
„April, April!“, wiederholte ich. Aber er beugte sich geistesabwesend über das Kreuzworträtsel:
„Wie heißt die Hauptstadt von Venezuela?“
„Das ist alles nur durchgegangen, weil deine Mutter und du so schlampig miteinander redet.“, rief ich. „Man kann euch alles erzählen, WEIL IHR NICHT RICHTIG ZUHÖRT, verstehst Du?“
Jetzt sah er auf:
„Ehrlich gesagt, nein. Was hast Du noch mal gesagt, mein Mäuslein?“
„Rimini!“, behauptete ich dreist. „Die Hauptstadt von Venezuela ist Rimini.“
Er beugte sich über sein Zeitungspapier, dann sah er mich an.
„Nie und nimmer!“, lächelte er. „Jetzt glaub ich aber, du willst mich hinters Licht führen.“
Ja, dachte ich. Aber es ist nicht leicht.
Mancher ist eben auch gegen Scherze gut gewappnet.

 

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Erster April - Glosse von Ruth Hanke
Glossen von Ruth HankeApril, April!

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