Zweibettzimmer
Wie alle Menschen muss auch ich manchmal ins Krankenhaus. Erst kürzlich wieder. Nach einer heftigen Bewegung hatte sich ein unguter Schmerz im Rücken ausgebreitet, gefolgt von partieller Taubheit an Armen und im Brustbereich. Oh, Hilfe! Vielleicht ein Schlaganfall! Sofort ins Krankenhaus. Nach endlosen Stunden Monitoring in der Notaufnahme wurde ich auf die Station verlegt. „Sie sind für Einbettzimmer versichert“, erklärte mir der Arzt. „wären Sie auch mit einem Zweibettzimmer einverstanden?“ „Natürlich“, antwortete ich – und das war bloß gut. Es ist ein nicht zu unterschätzender Kulturschock, wenn man als selbstständiger Mensch plötzlich hilflos daliegt, verschiedene, undurchsichtige Prozeduren über sich ergehen lassen muss, während man von amorphen Ängsten heimgesucht wird. Bei etwaigen Fragen wird einem gern ausweichend geantwortet: „Das müssen Sie den Professor bei der Visite fragen“ oder: „Wenn wir alle Messergebnisse haben …“ Aber wann hat man die schon?
Meine Bettnachbarin Frau Haffner hatte Angst vor Nadeln, eine problematische Phobie in einem Krankenhaus. Während sich der sehr bemühte, angehende Doktor langsam anschickte, ihr den Venenzugang zu legen – sie war bereits reichlich blass um die Nase – erzählte ich ihr, was ich früher erlebt hatte: „Einmal war ein Student bei mir zum Blutabnehmen, brauchte ne halbe Stunde, bis er die Vene gefunden hatte, endlich war er fertig, aber 20 Minuten später war er wieder da, er müsste das alles noch mal machen: Er hatte von der ganzen Station Blut abgenommen, aber vergessen zu beschriften!“
Sie musste plötzlich lachen und ab da konnten wir gemeinsam jammern, scherzen, den Doktor veralbern und uns vor den Eingriffen Mut zusprechen. Mitten in der unheimlich stillen Nacht hörte ich plötzlich ihre Stimme: „Können Sie auch nicht schlafen?“ In den ungewohnten Betten und trotz dem Terror des Blutdruckmessgeräts fanden wir zusammen unseren Humor wieder. In dieser existenziellen Situation weiß man, was es bedeutet, dass einfach jemand da ist. In unserer Welt setzt man auf Vereinzelung, aber das ist nicht gut, man sollte auf Gemeinschaft setzen.
Innerhalb von sechs Tagen habe ich auf den Stationen 49 und 17 drei wundervolle, warmherzige, interessante Frauen kennengelernt, die mir mindestens genauso geholfen haben wie die Kunst der Ärzte.
Also: Wenn Sie mal ins Krankenhaus müssen, dann nehmen Sie ein Zweibettzimmer. Sie werden schneller wieder gesund!