Tag der Pflege oder die Chance etwas einzuzahlen
Einige Wochen nach der Geburt meines jüngsten Kindes hatte ich Brustentzündung, vierzig Grad Fieber und so fürchterliche Schmerzen, dass ich wirklich nicht mehr weiter wusste. Ich rief meine Mutter an, die gerade mit meinem Vater Urlaub in Österreich machte. „Mama, du musst zurückkommen“, bat ich sie. „Ich brauche jetzt jemanden, der mich wirklich liebt!“ Und sie kam noch am gleichen Tag, kümmerte sich um mich und drei kleine Kinder. Ich erinnere mich noch an die Erleichterung, mit der ich ins Bett sank, als ich ihre Stimme hörte. Eine Selbstverständlichkeit? Ich glaube nicht.
Einen Angehörigen zu pflegen, der vorübergehend oder auch langfristig Pflege braucht, ist die Gelegenheit zu zeigen, dass man zu selbstloser Liebe fähig ist, denn nichts ist so heilsam wie die Fürsorge von jemandem, den man kennt und vertraut. Nach meiner Knieoperation war es wunderbar, dass mein Mann Randolf mir die Bewegungsschiene hergerichtet hat, den Eisbeutel und den Quarkumschlag, mich zur Physiotherapie fuhr und immer Mut zugesprochen hat, ich glaube, dass ich dadurch doppelt so schnell gesund geworden bin wie in einer Reha-Einrichtung.
Ich habe die Situation aber auch von der anderen Seite her erfahren, als nämlich meine kranke Schwiegermutter eine Zeit lang bei uns war: wie es ist, wenn plötzlich nachts jemand ruft, der sich nicht mehr selbst helfen kann, was allein die Organisation von Pflegediensten, Ärzten und Krankenhaustransporten für ein Aufwand und eine Umstellung im Tagesablauf ist, wenn zusätzlich professionelle Hilfe benötigt wird, wie schmerzhaft es sein kann, wenn man auch mit äußerster Anstrengung dem Pflegebedürftigen sein Leiden nicht wirklich abnehmen kann. An solchen Tagen bekam ich eine Ahnung davon, was viele Menschen, die in pflegerischen Berufen arbeiten oder einen Angehörigen zu Hause pflegen für Heldentaten vollbringen, oft jahrelang, mit wenig Geld und Anerkennung. Trotzdem, auch wenn man dem Kranken seine Gesundheit nicht zurückgeben kann, ist von dem, was man gibt, nichts umsonst getan. Vielleicht hat jeder Mensch eine unsichtbare Spardose, auf der „tätige Liebe“ draufsteht und die Chance etwas einzuzahlen. Später hofft man auch, etwas daraus schöpfen zu können, wenn man es selbst braucht. Denn nirgends wird der alte Satz so mit Sinn erfüllt wie in der Pflege:
„Das einzige, was einem bleibt, ist das, was man gegeben hat.“
Und so gesehen, ist jeder Tag: der Tag der Pflege.
Tag der Pflege oder die Chance etwas einzuzahlen