Glossen – Die reine Wahrheit
(Vorwort zu „Im Auge des Taifuns“)

Wenn das Leben um Dich brause mit Getön
So genieße auch die Pause – sie ist schön.

So wie in diesem kleinen, etwas abgewandelten Gedicht von Heinz Erhard ergeht es mir oft. Als ob alle Ereignisse, Erlebnisse, Herausforderungen, Empfindungen, Freundschaften, Haushalt und Familie mich wie ein Sturm umtosen.

Dann ist es wichtig, sich nicht hineinziehen zu lassen in den Wirbel, sondern ruhig zu bleiben im Auge des Taifuns. Glossen entstehen in den Momenten der Stille. Auf dem Weg vom Lauten zum Leisen entspringt die Kraft einer neuen Zuversicht, der Mut zu einer katastrophalen Ehrlichkeit und manchmal eine unvermutete Heiterkeit, die alles übersprudelt, wie eine silberne Quelle:

Wirbel stürmt durch meine Sinnen
Jeder Wind mit lautem Krachen
Lohnt sich andres nicht beginnen
Als dabei nicht mitzumachen
Und sich einfach auszuruhn,
Hier im Auge des Taifun

Ich begann Glossen zu schreiben, weil sich meine Schwägerin Eva einen Adventskalender mit 24 Glossen gewünscht hatte. Dafür wollte sie mir einen Adventskalender mit 24 kleinen Geschenken zurückgeben. Obwohl ich nie zuvor Glossen geschrieben hatte, war die Aussicht auf so einen Adventskalender – für Adventskalender tue ich alles, wie sie sehr wohl wusste – so verlockend, dass ich mich sofort an die Arbeit machte. Der Scharfblick von Eva, die der Meinung war, das kurze Format einer Glosse müsse mir besonders liegen, war also die Initialzündung zu diesem Buch.

Warum ich aber dem Format der Glosse treu geblieben bin, liegt zum Teil auch an Erika Hütten, die bis heute regelmäßig eine Glosse für ihre Zeitung von mir einfordert.

Der wesentliche Grund aber ist, dass ich in einer Glosse endlich einmal die Dinge so aussprechen kann, wie sie wirklich sind. Nicht die Wahrheit im tieferen, dichterischen Sinn will ich in einer Glosse hervorbringen, sondern die nüchterne, realistische Wirklichkeit, so wie ich sie in meiner Erinnerung habe. Ich erzähle nur, wie es war, wie es ist und wie es vermutlich sein wird. Die Glosse ist das Format, in dem die Augenzeugenberichte meines Lebens entstehen – mir glaubt ja sowieso keiner!

Noch beim letzten Treffen in meiner Autorengruppe fragte ein Kollege, als ich eine neue Glosse vorlas: „Ist denn wenigstens ein Teil davon wahr?“ „Alles!“ rief ich. „Alle meine Glossen sind die reine Wahrheit!“ Ich erntete amüsiert verhüllte Skepsis wie üblich. Vielleicht finde ich ja in Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, eine verwandte Seele, die mir glaubt?! Denn außer ein paar Namen der Protagonisten habe ich tatsächlich nichts verändert.

Ich dokumentiere die Wunder und Abenteuer des tatsächlichen Alltags, in seiner Herausforderung und Skurrilität, in seiner Überraschung und seinem Zauber, sonst nichts! Oder, um mit dem unvergleichlichen Shakespeare zu sprechen:

»Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich erträumen lässt«

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