Gaff net so!
Ich saß um halb drei Uhr in „Dollys Coffee Bar“, in der Westernstadt des Legolands in Billund, Dänemark auf der Veranda und wartete. Mein Mann Randolf, Tochter Franziska und ihr Freund wollten in der letzten Stunde abenteuerliche Karussells fahren, während ich mir das dänische Schloss aus Legosteinen en Miniature angesehen und via Monorailbahn den Erlebnispark von oben betrachtet hatte.
Aber jetzt saß ich hier und wartete auf die meinen. Es war heiß und trotz Sonnenbrille sehr hell, ich sehnte mich nach Eiskaffee, wollte aber erst bestellen, wenn die anderen auch da waren.
Einige Meter entfernt von mir, genau in meinem Blickfeld, lehnte ein etwa 50-jähriger Mann an einer Holzsäule und trank Cola. Mir fiel auf, dass er nervös war. Er spielte hektisch mit dem Schlüsselbund, der Zigarettenpackung, zerknickte den Trinkhalm, der aus der Cola-Flasche herausragte und sah sich immer wieder vergewissernd nach der viel jüngeren Frau um, offenbar seine Begleitung.
Solche Eindrücke drängten sich mir oft auf, wenn ich unter vielen Leuten war. Jetzt spürte ich, wie sich auf meiner Nase, wo die Sonnenbrille am Nasenrücken aufsetzte, Schweiß bildete und nahm die Brille ab.
Als ich aufsah, fiel mein Blick unbeabsichtigt direkt in den des nervösen Mannes hinein; er starrte mich an und brauchte eine Weile, bis er hörbar Luft schöpfte. Trotz des lockeren Hawai-Hemds, das seine eher magere Figur umhüllte und das er in den Bund einer verwaschenen Jeans gesteckt hatte, dem sunnyboy-artigen Silberblond seines Haares und der unechten Solarium-Bräune schien er im Moment sein Leben nicht besonders zu genießen.
Ich überlegte gerade, ob ihm etwa die Hitze nicht bekam und er vielleicht einen Arzt bräuchte, da stand er auch schon vor mir.
„Wieviel?“, knurrte er.
„Wieviel – was?“, fragte ich perplex zurück.
„Damit Sie mich wenigstens HEUTE in Ruhe lassen?!“
Seine Stimme knirschte drohend, dahinter brach sie und gab ein hysterisches Schluchzen frei.
„Können Sie mich nicht einen Tag in Frieden lassen?“, wiederholte er.
„Wie bitte?“, stotterte ich.
„Sie brauchen sich nicht zu verstellen“; jammerte er weiter. „Meine Frau hat Sie engagiert, stimmt doch? Sie beobachten mich schon den ganzen Tag.“
Ich fasste mich endlich. „Hören Sie, ich habe keine Ahnung, wovon Sie da reden. Ich weiß nicht, wer Sie sind. Ich warte hier auf meine Familie, sonst gar nichts und wenn …“, wollte ich hinzufügen „Sie so schwache Nerven haben, dann klären Sie Ihre Verhältnisse statt hinter jedem Busch einen Teufel zu sehen.“ Aber er hatte sich schon umgedreht und war davongerannt.
Sapperlot! Hatte der Randolf also doch Recht, wenn er mich manchmal im Cafe ermahnte
„Gaff net so! Da kommen sich die Leute bedroht vor!“
„Ich gaffe ja gar nicht“, hatte ich dann geantwortet. „Ich lasse nur alles auf mich wirken wie jeder empfindende Mensch. BETRACHTEN ist etwas anderes als BEOBACHTEN. Ich bin doch kein Sportjournalist!“
Aber dem Mann im Hawai-Hemd war dieser feine Unterschied offenbar entgangen.
Warum hatte ich auf seine anfängliche Frage: „Wieviel?“ eigentlich nicht geantwortet:
„Zweihundert! Geben Sie mir einfach zweihundert Euro gleich und in bar und Sie sehen mich nie wieder!“ Ein Versprechen, das ich ohne jede Schwierigkeit gehalten hätte!
Seit diesem Tag habe ich mir vorgenommen, wann immer mir jemand Bezahlung dafür anbietet, mit etwas aufzuhören, das ich sowieso nicht getan habe, werde ich: Unbedingt annehmen!
Es ist leicht verdientes Geld.