Frühstück ist fertig!

Das Frühstück ist fertig und alles steht auf dem Tisch: Kaffee, Frischmilch, ein Obstteller, wachsweiche Eier, Brötchen und Vollkornbrot, Joghurt, Orangensaft und dänische Grütze, die Kerzen leuchten in den Teelichthäusern, der ganze Küchentisch ist eine einzige Einladung. Das ist eben das Schöne, denke ich, wenn der Ehemann im Ruhestand ist, dass man zusammen gemütlich frühstücken kann. Früher kam ja oft schon einer von Randolfs Fahrern um 5.00 Uhr morgens daher, um den Randolf zu seiner Arbeit abzuholen und brachte ihn dann, wenn überhaupt noch an diesem Tag, in der Nacht zwischen 23.45 Uhr und 0.30 Uhr zurück. Kein Wunder, dass ich jetzt bestens gelaunt bin angesichts solcher Luxuszeit, die wir früher an den kirchlichen Feiertagen und sonst noch – vielleicht! – an meinem Geburtstag und zu Valentinstag hatten.

Jetzt fehlt nur noch der Randolf. Nach dem Duschen scheint er sich noch in seine Raucherlaunch zurückgezogen zu haben, um auf seinem Handy Sudoku zu spielen, die Kreuzworträtsel von gestern zu lösen, seine Palme über die neuesten Wendungen der amerikanischen Präsidentschaftswahl zu informieren und eine zu rauchen. Ich rufe also zu ihm in den ersten Stock hinauf, dass das Frühstück fertig ist. Keine Reaktion. Ich rufe lauter. Keine Reaktion. Ich läute mit unserer Essensglocke wie ein öffentlicher Ausrufer auf dem Marktplatz. Keine Reaktion. Freilich, hört er etwas schwer, das stimmt schon und vielleicht hat er auch seine High-Tech- Hörgeräte wieder nicht rechtzeitig in die Ladestation gesteckt. Er möchte eben, wenn er daheim ist, auch keine Energie verschwenden, hat er mir kürzlich anvertraut. Das versteh ich schon, aber jetzt ist eben das Frühstück fertig und da fällt mir auf, was wir in unserem Haushalt alles NICHT haben: Zum Beispiel eine durchsetzungsfähige Bimmel in seinen oberen Räumen, nämlich der Raucherlaunch und seinem Arbeitszimmer. Ein Glocke, die auf Knopfdruck (von mir) so lange unüberhörbar randaliert und hämmert, bis sie eigenhändig abgestellt wird (von ihm). Dazu müsste ich mich einmal mit unserem technikaffinen Schwiegersohn, dem Richi beraten. Wenn auf Randolfs Handy eine Art Hupe installiert wäre, die ich nur aktivieren bräuchte und die dreimal hintereinander: „Heididdeldieddeldummdumm!“ schmettert, das hätte einen gewissen Charme. Aber ein dressierter Papagei, der auf Befehl von mir nach oben fliegt und solange an Randolfs Ohr knabbert, bis dieser zum Frühstück herunterkommt, hätte ganz eindeutig den Vorzug des Originellen.

Wenn man jetzt kleinlich sein will, und das will ich natürlich nicht, könnte man jetzt denken, er könnte sich doch mal selber in Bewegung setzen oder auf seine Uhr schauen. Tut er aber nicht. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als hinauf zu gehen und ihm zu sagen, dass das Frühstück fertig ist. Er springt fast auf vor Schreck oder Begeisterung, als ich unvermutet in seine Privatgemächer eindringe. „Sofort, sofort, mein Mäuslein! Gib mir …“, er hält mir verzweifelt ein angefangenes Kreuzworträtsel entgegen. „noch fünf Minuten! Ich hab´s gleich. Hier fehlt nicht mehr viel: Äh, Geliebte des Zeus!“

„Also“, antworte ich. „da gibt’s mehrere. Frühstück ist fertig!“ Aber in meinem Herzen sinne ich auf eine bessere Lösung. Sowohl meine Mutter wie auch meine Schwiegermutter hätten sich sowas, wie sie sagen, nie bieten lassen. „Lass die natürlichen Folgen eintreten!“, hatte meine Mutter geraten und meine Schwiegermutter: „ Den musste mit seinen eigenen Waffen schlagen!“ Am nächsten Morgen probiere ich es. Ich bleibe extra lange in der Badewanne, lasse mir viel Zeit beim Zurechtmachen und räume noch schnell zwei Schubladen auf, während der Randolf schon unten das Frühstück fertig hat. Mit einem Ohr lausche ich gespannt, ob er mich ruft, damit ich es dann überhören kann. Er ruft mich aber nicht. Die Zeit vergeht und mein Magen knurrt, der Duft von frischem Kaffee dampft grausam verführerisch zu mir hoch und ich zwinge mich im Namen der guten Sache noch abzuwarten. Aber nichts passiert. Schließlich gehe ich nach unten. „Mein Mäuslein!“, ruft der Randolf. „Wo kommst denn du her? Ich dachte, du hast heute keinen Hunger und – so ein Pech! – ich habe gerade dein Ei gegessen!“

Vielleicht sollte ich doch noch einmal über den dressierten Papagei nachdenken.

 

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