Die Hand, die die Wiege bewegt…

Wenn wir in den Sommerferien bei meiner Omi waren, unternahm sie, eine Frischluftfanatikerin reinsten Wassers, mit uns ausgedehnte Wanderungen. Sie erklärte uns die Natur; bald wussten wir alles über Pilze, Blumen, Kräuter und Waldtiere. Oft kamen wir mit anderen Wanderern ins Gespräch, streichelten ihre Hunde und bewunderten die Pilze, die sie gefunden hatten. Einmal trafen wir drei Kinder, das älteste war vielleicht 15 Jahre alt, die erzählten, dass sie in Eiershausen wohnten. „Uhje“, meinte ich. „Kennt ihr den Weg?“ Sie nickten. „Aber das ist weit! Direkt durch den Wald! Und ihr habt gar nichts dabei?“, fragte meine Omi. Sie schüttelten den Kopf und meine Omi forderte sie auf, sich aus unserem Proviant zu bedienen. Nach einigem Zögern nahmen sie sich ein paar Äpfel und Brote heraus, was meiner jüngeren Schwester gar nicht Recht war. „Aber dann haben ja wir nichts mehr!“ „Du wirst schon nicht verhungern“, widersprach meine Omi. „Wir haben wirklich genug dabei!“ Es war ein aufregender Tag und ich dachte an die drei Kinder erst wieder, als ich abends im Bett lag. Ob sie wirklich ihren Weg nach Hause gefunden hatten? Jedenfalls beruhigte mich der Gedanke, dass sie ihn wenigstens nicht hungrig gegangen waren.

Und es ist doch so, dass Mütter nicht nur das leisten, was sie ihren eigenen Kindern geben, sondern auch den Kindern der Nachbarin, die arbeitet oder überraschend ins Krankenhaus muss; Frauen, die den Freund des Sohnes mit zum Fußball-Training fahren und seine Hausaufgaben überwachen. Mütter in allen Ländern setzen sich mit ihrer ganzen Kraft für Bildungsmöglichkeiten ein, für Wasserversorgung und für den Frieden; sie engagieren sich für die Chancengleichheit von Jungen und Mädchen, für eine bessere Infrastruktur, für Natur- und Umweltschutz. Aus dem Gefühl einer umfassenden Verantwortung kämpfen Mütter aller Nationen darum, für ihre Kinder eine bessere Welt zu schaffen und leisten damit einen unschätzbaren Dienst an allen Menschen.

Ein russisches Sprichwort bringt es auf den Punkt:

Die Hand, die die Wiege bewegt, bewegt die Welt.

 

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Die Hand, die die Wiege bewegt - Glosse von Ruth Hanke

 

Die Hand, die die Wiege bewegt

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