Auf der Suche
Ich war sieben Jahre alt und es war furchtbar kalt und dunkel. Meine Mutter, mein Bruder und ich gingen über verschneite Wege einen Berg hinauf. Ich wusste nicht, wie lange der Weg sein würde und dachte an die Andeutungen meines Opas über die Geschenke und wollte, es wäre schon Bescherung.
Schließlich kamen wir an eine kleine Kirche, die erleuchtet war. Wir fanden einen Platz in den hinteren Reihen und obwohl man jetzt nicht mehr den Atem sehen konnte, war es doch noch ziemlich kalt, meine Mutter versuchte meine Hand zu wärmen, es wurde gesungen. Dann trat ein kleiner, weißhaariger Mann vor. Von seinem Gesicht ging ein Leuchten aus, das ich seitdem nie wieder gesehen habe. Er sprach von dem Kind in der Krippe und dass an diesem wunderbaren Tag alle Engel im Himmel singen und in diesen unvergesslichen Minuten sangen die Engel wirklich in dieser Kirche, in unseren Herzen und im Himmel.
Wir gingen nach Hause, erfüllt von einem unbeschreiblich glücklichen Gefühl, als ob wir einen Meter über dem Erdboden schwebten.
In der Dunkelheit funkelten alle Sterne und die klare Luft fühlte sich auf einmal gar nicht mehr kalt an.
Was suchen wir nicht alles? Die Brille? Die Autoschlüssel? Die ultimative Wahrheit.
Oder in diesen Tagen die Weihnachtsfreude?
Damit ist es so eine Sache, denn eine wirkliche Freude lässt sich nicht erzwingen. Auf mancher Party, wo man der Freude mit Alkohol auf die Sprünge helfen will, ersäuft man sie dadurch geradezu. Auch zu viel Aufwand in den Vorbereitungen kann, was die Freude angeht, den eher gegenteiligen Effekt auslösen. Vor dem gefürchteten Klassiker, dass am Ende zwar die Gans schön knusprig, man selbst aber fertig mit den Nerven ist, wird schon seit Jahren ausdrücklich gewarnt. Sicher – der verbissene Perfektionist ist ein Feind der Weihnachtsfreude, aber in den letzten Jahren hat sich am anderen Ende der Extremscala ein weiterer Weihnachtsfeind etabliert:
Der Nichtweihnachtsstinker.
Dieser Ausdruck stammt von meinem Sohn, einem stolzen Wahl-Berliner, der sich aber in einem Brief an uns darüber geäußert hat, dass ihm die zunehmende Zahl der Berliner „Nichtweihnachtsstinker“ auf die Nerven gingen, die jede Mühe scheuten, ein schönes Fest zu gestalten und nicht einmal einen gescheiten Baum hätten.
Vor dreißig Jahren fanden es die Ultra-Alternativen noch besonders witzig, den Christbaum mit Klopapier zu umwickeln, inzwischen sind manche schon fast damit überfordert, wenn sie eine ironische Christbaumkugel an die Zimmerpalme hängen. Bloß kein Aufwand, ist die Devise. Geschenke? Nee, ich mach mir doch keinen Stress! Die Unterhaltung kommt aus dem Fernseher, das Essen vom Lieferservice und Kirche, wieso denn? Nur wenn es etwas umsonst gibt, zum Beispiel das Essen auf der Weihnachtsfeier oder die Einladung von der Oma, nimmt man das gerade noch mit.
Sollte es bei der Weihnachtsfreude so sein wie bei allen anderen Dingen: Man kriegt das raus, was man hineingibt?
Mein Bruder Frieder hat eine Ahnung von Geld. Jahrzehntelang Geschäftsführer großer Firmen und Gründer seiner eigenen Firma, wusste er, wie wichtig der finanzielle Erfolg ist.
Wenn er das Gefühl hatte, dass das Geschäft nicht richtig rund lief, machte er eine größere Spende, um den Erfolg zum Kommen einzuladen. Was dieser auch tat.
An Weihnachten ist es so: Wer sich aus Bequemlichkeit und Knickerigkeit Weihnachten verweigert, wird auch schwerlich etwas zurückbekommen. Wer aber etwas hineingibt, eine Spende, ein überraschendes Geschenk oder auch nur den Weg in die Kirche, der wird viel mehr herauskriegen als er gegeben hat und darum, nur darum, dass wir uns aufmachen das Geschenk des Wunders abzuholen, werden wir aufgefordert:
„Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt!“
Fröhliche Weihnachten!